© Lisa Bergman
2022 erschafft Luise Peschko ihr Alter Ego, die 70-jährige Kurpfälzerin Enna Erben. Als diese tritt Luise Peschko in den öffentlichen Raum, tritt mittels Maskierung ihrer eigenen Scham entgegen. Enna Erben exponiert sich der Gesellschaft, singt laut vor sich hin, spielt untalentiert Melodica an öffentlichen Plätzen und tanzt Bolero in der U-Bahn. Und auch beim Kaffeetrinken ist sie den beäugenden Blicken der Menschen ausgesetzt, die ihr Erscheinen innerhalb des gesellschaftlich Normierten nicht einzuordnen wissen. Die Ränder dieser Zonen scheinen durch Hemmschwellen gekennzeichnet, deren Überschreitung in die Schutzlosigkeit führt und im selben Augenblick einem Befreiungsschlag gleichkommt. So erforscht Luise Peschko in einer einjährigen Recherchephase schambehaftete Situationen im Alltag und überprüft ihren eigenen Umgang mit der Scham. Gemeinsam rufen Enna Erben und Luise Peschko das Showformat „Enna Wills Wissen“ ins Leben, das im Juni 2023 erstmals mit dem Thema Scham auf Sendung geht. Die einstündige multimediale Performance unterhält das Publikum mit Live-Band, Tanzchoreografien und eingeladenen Gästen. Enna Erben ermöglicht einen facettenreichen Zugang zum Thema: Ernste Beobachtungen und Gedanken wechseln sich mit humoristischen Schilderungen ab. Im Publikum wird alternierend nachdenklich geschwiegen und laut gelacht – zeitweise sogar sich gezielt geschämt, weil Enna Erben, vielleicht sogar ganz absichtlich, Momente der Verlegenheit kreiert und mit der Langatmigkeit mancher Szenen spielt. Ihre Rolle lässt nicht nur Raum für das Fehlerhafte und Schrullige, sondern eignet es sich bewusst an – sogar Texthänger werden entwaffnend ehrlich eingebunden und Teil der Rolle.
Während Enna Erben über Tabus und Peinlichkeiten spricht, über Unsicherheit und vermeintliche Coolness, über Übersprungshandlungen, Rausch und Enthemmung, schafft sie einen kollektiven Moment des Sich- angesprochen-Fühlens. Die Stimmung danach erscheint gelöster als zuvor, als wäre etwas von Luise Peschkos Befreiungsschlag aufs Publikum übergegangen. Weil das die Scham eben auch ist: Ein Geschenk der Verletzlichkeit an die Anderen.
Text von Leonie Mühlen
© Lisa Bergmann
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